Weniger perfekt - mehr du

 

Warum solltest du diesen Blogartikel lesen?

Du möchtest dich selbst hinterfragen, was Perfektion für dich bedeutet. 

Du möchtest wissen, welche gesunden Anteile dein Streben nach Perfektion hat und wann dies zu Stress bei dir führt.

Du möchtest wissen, wie du mit einem zu hohen Anspruch an dich selbst anders umgehen kannst.

 

Die Suche nach dem „perfekten“ durchdringt jeden Aspekt unseres Lebens. Es ist fast schon normal 10 Selfies für das eine ausgewählte Bild zu machen, um es dann zu posten und der Welt zu zeigen. Wir erleben, dass unser Erfolg an Status und Arbeitsleistung gemessen wird oder wir das scheinbar perfekte Leben der Anderen mit unserem eigenen vergleichen - weil es uns so makellos erscheint.

 

Gehörst du auch zum Perfektions-Club?

 

Ich hatte das Glück, zu Beginn meiner Selbstständigkeit als Trainerin gleich an einer Weiterbildungsmaßnahme für einen deutschen Automobilhersteller arbeiten zu dürfen. Rückblickend hat mich dieses Projekt zum aller ersten Mal bewusst in Kontakt mit meinem Anspruch an Perfektion gebracht. Es war eine völlig neue Situation für mich, die ich möglichst fehlerfrei und mehr als gut meistern wollte. So kam es, dass ich tatsächlich in einer Nacht und Nebelaktion noch eine mega aufwendige Powerpoint Präsentation als zusätzliche Erklärung zur eigentlichen Präsentation erstellt habe.

„Yvonne, mach bitte bloß nicht ne Präsentation zur Präsentation“. Was inzwischen ein „Running Gag“ zwischen einer Kollegin und mir ist und mich zum Schmunzeln bringt, ist ein charakteristisches Beispiel für (m)einen übertriebenen Anspruch an Vollkommenheit und Perfektion.

 

An dieser Stelle sei gesagt, dieser Artikel ist kein Aufruf, Perfektion in Gänze abzulegen. Im Gegenteil. Das Streben nach Perfektion hat absolut seine Daseinsberechtigung in unserer Welt. Menschen, die Wert auf Perfektion legen, haben einen Sinn für Genauigkeit und Qualität. Sie denken und arbeiten in der Regel detailorientiert, präzise und sind sehr zuverlässig. Sie nehmen gerne Ergänzungen, Kritik und was noch zu erwägen wäre vorweg und suchen oftmals Wege zur Verbesserung.

 

Wenn ich mich selbst und meinen Weg betrachte, dann hat diese innere Motivation, also mein Anspruch immer das Beste rauszuholen, mich in vielen Lebenslagen genau dort hingebracht, wo ich heute stehe und mir zu meinen wichtigsten Erfolgen verholfen. Diese Art und Weise, Herausforderungen und Aufgaben anzugehen, ist eine Ressource, die es anzuerkennen und zu bewahren gilt. Denn sie macht einen Teil meiner und vielleicht auch deiner Persönlichkeit aus.

 

Auf der anderen Seite gibt es auch Situationen, in denen sich dieser positive Antrieb negativ entwickelt und nicht mehr fördernd ist, sondern im wahrsten Sinne des Wortes so eine Art Teufelskreis an Gedanken im Kopf auslöst.  

 

Perfektion äußert sich in deinem Denken

 

“Entweder ich mache etwas perfekt oder gar nicht“

“Es geht gar nicht, wenn mir etwas misslingt“

„Ich muss es noch besser machen, gut ist nicht gut genug!”

„Ausreichende Anerkennung bekomme ich nur, wenn ich es 100 Prozent oder noch besser mache!“


„Fehler kann ich mir nicht leisten!“

“Ich musst perfekt sein, sonst...“

 

Vielleicht kennst du solche Gedanken, die sich mal mehr und mal weniger bemerkbar machen?

 

Stell dir vor du bist mit einer neuen, (über)fordernden Aufgabe konfrontiert, bei der du dich innerlich unsicher fühlst und nicht so genau weißt, „was soll ich tun?“. Genau in solchen Momenten empfangen wir Botschaften wie, „das muss echt perfekt werden, da darf ich mir keinen Fehler erlauben“. Diese inneren Stimmen, die dir in der Vergangenheit oft gute Dienste geleistet haben, sind dann eine Art „Kompass“, um dir Orientierung zu geben. z.B. „mache am besten keine Fehler, dann wirst du akzeptiert/bekommst du Anerkennung.“

 

Dies führt oft in ein Dilemma, weil solche Botschaften dein gefühltes Stress-Niveau innerlich noch verstärken, anstatt dich zu entspannen. Nun steht auf einmal der Druck im Vordergrund, alles extrem gründlich zu machen - ohne Rücksicht auf Zeitaufwand (haha, siehe mein Beispiel). Die hohe Erwartung und Anforderung an dich selbst ist nicht mehr oder nur sehr aufwendig und nervenaufreibend zu erreichen. Genau dann hat sich unser Antrieb mehr zu einem Antreiber entwickelt, der von „hinten die Peitsche schwingt“ und Gefühle, wie die Angst zu versagen, noch verstärken. Konrad Adenauer hat einmal gesagt, „die Krankheit unserer Zeit ist der Perfektionismus“. Ein wahrer Satz, denn er beschreibt genau diese negative Seite eines übertriebenen Strebens nach Vollkommenheit und einer übertriebenen Fehlervermeidung.

Perfektion sollte sich also nicht beklemmend anfühlen und uns antreiben einem Ideal nachzueifern, welches nach jedem Erfolg wieder nach oben angepasst wird. Verlier dich also nicht in deiner Perfektion, sonst kann dieses positive Streben zu einem hemmenden Faktor auf deinem Weg werden, der Zufriedenheit eher verhindert als ermöglicht.

 

Raus aus der Perfektionsfalle - 5 Impulse für dich   

 

1. Sei mehr Du, denn Perfektion ist auf Dauer langweilig :)

 

Sabrina und ich gehören beide zum „P-Club“ und kennen Feedback wie: „Ach, bei dir läuft doch eh alles immer perfekt“, oder „Wenn dir mal ein Fehler unterläuft, kann ich das rot im Kalender markieren“. Eine Kollegin sagte einmal zu mir: „Perfektion ist langweilig“. Ein Satz den ich selbstverständlich überhaupt nicht gut fand, schließlich ist für mich Perfektion etwas äußerst spannendes und erstrebenswertes. Aber letztlich hat es mich zum Nachdenken angeregt. Denn sich mit seinen nicht perfekten Seiten zu zeigen, das Risiko einzugehen, dass mal etwas nicht ganz glatt läuft, macht uns nur menschlicher, interessanter und nahbarer für unser Umfeld. Und damit auch sympathischer, denn wenn du es dir erlaubst, dich mit deiner Individualität und mit deinen Fehlern zu zeigen, machst du es automatisch auch anderen Menschen in deinem Umfeld leichter, das Gleiche zu tun.

Versuche Schritt für Schritt zu akzeptieren, dass du auch zufrieden mit dir sein darfst, wenn du in deinen Augen ab und an unvollkommen und eben nicht perfekt bist. Schließlich hast du vielleicht aus genau solchen Situationen, in denen dir etwas nicht zu 100% gelungen ist, einfach viel für dich mitnehmen können.

 

2. Ergründe die Angst dahinter

Hinter deinem „sei-perfekt-Anspruch“ und den entsprechenden Gedanken stecken oftmals Ängste. Zum Beispiel die Angst vor Ablehnung, die Sorge zu versagen, die Angst nicht genug zu sein, nicht liebenswert zu sein, keine Anerkennung zu erhalten, Erwartungen nicht erfüllen zu können. Spüre bei Gelegenheit mal genauer in dich hinein, was die Angst hinter deinen Gedanken ist, wenn du mal in deinen Augen nicht perfekt bist.

 

3. Du bist mehr als die Summe deiner Leistungen

Ist dir schon mal aufgefallen, dass bei vielen Menschen, die einen sehr hohen Anspruch an sich selbst haben, oftmals die Leistung stark im Vordergrund steht? Stell dir vor, du bist dir nicht sicher ob deine Kollegin oder dein Chef dich wirklich schätzt und du denkst dir, ich biete lieber ein perfektes Arbeitsergebnis an, bei der sie/er die Anerkennung nicht verweigern kann. Kennst du solche Situationen?

Es geht also darum, bewusst zu erkennen, dass du so viel mehr bist, als deine Leistung und du deinem inneren Kritiker eine wohlwollende Stimme an die Seite stellen darfst, die dich in deinem Sein stärkt. Denn deine eigene Selbstachtung ist nicht von deinen Erfolgserlebnissen abhängig.

 

4. Ade Perfektion und hallo kaltes Wasser

Der Hang zu Perfektion geht oftmals einher mit dem Bedürfnis, die Dinge kontrollieren zu wollen durch möglichst perfekte Planung.

Eine perfekte Vorbereitung und einen Plan zu haben, ist bei Sabrina und bei mir auch oftmals der Versuch, sich gegen jegliche Unsicherheit absichern zu wollen. In der Hoffnung, dass nichts mehr schief laufen kann. Und dann? Passiert das Leben, der Plan ist dahin und du kommst ins rudern.

Ein Zuviel an Perfektion mündet tatsächlich oftmals in einer Art „Pedanterie“, also die Dinge mit peinlicher, kleinlich wirkender Exaktheit machen zu wollen. Darum ist das Entwicklungsfeld eher, sich in Flexibilität und Gelassenheit zu üben. Sozusagen adé Perfektion und hallo kaltes Wasser!

 

Eine super Übung für mehr Flexibilität, die ich bei Matthias Rudolph in zeitzuleben.de gelesen habe, geht wie folgt:

 

Mache einmal in der Woche einen „Schluder-Tag, an dem du absichtlich unperfekt bist. Die Idee ist, etwas zu tun, was du sonst gewöhnlich nie so machen würdet. Wenn du also für gewöhnlich schon am Vorabend die Kleidung für den nächsten Tag raussuchst, dann unterlasse das für den Schluder-Tag bewusst. Nimm dir morgens nur 1 Minute Zeit, dich für dein heutiges Outfit zu entscheiden, und zieh das dann auch an, denn diese Entscheidung ist heute nicht so wichtig.

 

5. Sprich aufmunternd mit dir selbst

Was passiert, wenn wir uns unglaublich anstrengen, gut und toll zu sein und es dennoch nicht hinhaut? Wenn wir trotz Anstrengung unseren Anforderungen und denen im Außen nicht gerecht werden? Laut Brené Brown einer führenden Sozialforscherin führt dies oftmals in ein Gefühl von Scham, d.h. wir haben also das Gefühl versagt oder uns eine Blöße gegeben zu haben. Und diese Gefühle lösen dann wiederum negative Gedanken über uns selbst aus. Statt dich also in stressigen Situationen noch zusätzlich mit Botschaften wie „das muss aber noch besser werden“ anzutreiben, versuche eine andere aufbauende Stimme in dir zu verankern.  Probiere aus, welche Wirkung diese Sätze haben, wenn du sie laut aussprichst und/oder sie als „Reminder“ aufhängst und immer wieder liest:

 

„Ich bin gut genug! Ich bin vor allem wertvoll durch das, was ich bin.“

„Ich darf auch Fehler machen und aus ihnen lernen.“

„Es ist okay, nicht immer hundertprozentig zufrieden zu sein.“

„Ich bin ein wertvoller Mensch, egal, wie viel ich leiste.“

„Ich bin vor allem wertvoll durch das, was ich bin.“

„Ich gebe mein Bestes, aber nicht um jeden Preis.“

„Ich darf auch Fehler machen und aus ihnen lernen.“

 

Brown hat in ihren Forschungen festgestellt, dass Menschen die sich selbst als liebenswürdig erachten und auch der Ansicht sind, sie sind es wert geliebt zu werden, eher die Courage haben, unvollkommen zu sein. Denn „Perfektion entfremdet, es ist unsere Unvollkommenheit, die uns mit uns selbst und anderen verbindet und das Leben vollkommen macht.“

 

Also… sei mutig und geh auch mal das Risiko ein, dich nicht vollkommen perfekt zu zeigen. Das macht dich menschlich und bringt dich in wirklichen Kontakt mit Anderen.

 

yvonne

 

 

Vielleicht auch interessant für dich:

 

Brown, Brené: Die Gaben der Unvollkommenheit: Lass los was du glaubst, sein zu müssen, und umarme was du bist. Leben aus vollem Herzen

https://www.ted.com/talks/brene_brown_on_vulnerability

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Kommentare: 1
  • #1

    Vanessa (Sonntag, 21 Oktober 2018 18:33)

    Liebe Yvonne, liebe Sabrina,

    euer Blog ist der Hammer und mega toll geworden. Ich finde mich sehr oft wieder in euren Blog Einträgen was mich zum denken anregt und mir eine andere oder sogar neue Perspektive gibt. Ich bin schon ganz gespannt auf neue Blog Einträge von euch. Macht weiter so!!!